Abt.: Tischregeln
Variationen von Weißwurst
Hier und da wird dieses und jenes zum Kulturgut erhoben. Gesteinshaufen zum Beispiel. Oder aber auch Lebensmittel. Bei letzterem geht es meist weniger um Kultur, denn um wirtschaftliche Interessen. Hier geht es um die Wurst.
Genau gesagt, um die Weißwurst. Und spricht man von Weißwurst, dann spricht man im gleichen Atemzug von Brezn, Senf und Weißbier. Denn diese drei Lebensmittel sind untrennbar mit der Wurst verbunden.
Im Prinzip kann heutzutage ja alles fast überall hergestellt werden. Und wenn der Chemiebaukasten nachhelfen muss. Irgendwie geht das schon.
Parmaschinken aus Parma. Champagner aus der Champagne. So Dinge.
So ein Parmaschinken etwa besteht ja vorwiegend aus Schwein und Schweine gibt es auf der ganzen Welt. Folglich kann ein solcher Schinken auch auf der ganzen Welt hergestellt werden. Das wäre dann für die Menschen aus Parma blöd, weil ihnen ihre Lebensgrundlage entzogen wäre. Also wird das Schweinsprodukt zum Kulturgut erklärt und geschützt.
Ich möchte auch kein Parmahaxerl aus Viechtach. Von da möchte ich gern einen Viechtachschinken, luftgetrocknet. Auch wenn der dann schmeckt wie Parmaschinken.
Und ich möchte keinen Moselchampagner. Das ist jetzt einfach, weil ich mag gar keinen Champagner. Und die Weine von der Mosel auch nicht.
Aber darum soll es eigentlich gar nicht gehen. Es soll um die Weißwurst gehen. Die sollte nämlich auch mal geschützt werden. Also nicht die Weißwurst als solches, sondern speziell die "Münchner Weißwust".
Ein löbliches Unterfangen einerseits, wie ein unglaublicher Blödsinn andererseits.
Löblich, weil damit dem Kultur- und Legendenkreis rund um die Wurst ein weiteres Kapitel hinzugefügt werden könnte.
Blödsinn, weil das Schützen von Lebensmitteln einfach ein Blödsinn ist.
Geschichten und Legenden ranken sich genügend um die Wurst. Bekannt und unbekannt. Wahr und auch geflunkert.
So ist allgemein bekannt, dass eine Weißwurst das zwölf Uhr Läuten nicht hören dürfen. Das ist sozusagen Gesetz. Und wer Anlauf nimmt, das Gesetz zu unterlaufen, murmelt etwas von "damals" und "keine Kühlschränke". Und lässt es sich schmecken.
Weit weniger bekannt hingegen ist die kuriose Tatsache, dass erst der Weißwurst Senf - und nein, es war nicht Händlmaier - und erst Jahre später die Weißwurst(1) erfunden wurde.
Es gibt - einem Gesetze gleich - eine Regel, wie die Weißwurst zuzubereiten ist. Sie kommt in heisses, nicht kochendes Wasser und zieht dort gar. Auch in vornehmer Gastronomie wird die Wurst - einzeln, nicht paarweise - im Wasserbad aufgetischt.
Heute gibt es - und das findet der Münchner selbstredend grauslich - Weißwurst in der Dose und eingeschweißt in Plastikfolie. Und es gibt Zubereitungsarten, da dreht es einem den Magen um. Weißwurstsalat, -gulasch, -auflauf. Gebraten und auch gegrillt. Mit Kartoffelpüree und Sauerkraut. Mir dreht es den Magen um.
Und es gibt das Weißwurstfrühstück für Eilige. Also Wurst und Senf in ein Breznstangerl verpackt.
...obwohl, ich glaube, das war jetzt geflunkert.
(1) [emaz.de]: Weißwurst und Senf