Abt.: Flamme oder Asche

Streik - eine Polemik

Alle Jahre wieder. Bei Bus und Bahn und Kindergarten. Müllabfuhr und was weiß ich. Es wird gestreikt.

Es ist ein Ritual aus verstaubten Zeiten und düsteren Maschinenhallen aus Manchester.

Dabei ist klar fest zu stellen, dass der Arbeitskampf als solches nicht immer tradiertes Ritual war.

In jenen finsteren Maschinenhallen in Manchester und anders wo, da ging es durchaus zur Sache. Da wurden Maschinen gestürmt und zerstört. Da flossen Blut und tränen. Da wirbelten Fäuste und Schlagstöcke.

In diesen Zeiten war ein Arbeitskampf tatsächlich ein Kampf. Ein Kampf, der einen Kapitalisten schon mal an den Rand - und wenn er nicht aufgepasst hat, auch darüber hinaus - des Ruins gebracht hat.

Ein Arbeitskampf war wild, ohne Regeln und stets mit offenem Ende. Ein Arbeiter, der sich darauf eingelassen hat, musste damit rechnen, seinen Job zu verlieren. Musste damit rechnen von Streikbrecher, Werkschutz und Staatsbüttel auf's Maul zu bekommen.

Ganz anders heute. So ein Arbeitskampf ist gesetzlich geregelt und folgt einer starren Choreographie. Da fließt kein Blut mehr. Da gehen keine Maschinen zu Bruch. Und weder muß der Arbeiter um seinen Job, noch der Kapitalist seinen Ruin fürchten.

Man sagt ja auch nicht mehr Arbeitskampf. Man sagt Tarifrunde. Und so eine Runde hat einen klaren Anfang und ein klares Ende. Dazwischen wird ein traditionelles Spektakel aufgeführt, dass in etwa so in die heutige Zeit passt, wie die pomadige Perücke eines britischen Richters.

Letztlich ist das Schauspiel ein öffentlich ausgetragener Schwanzvergleich zwischen Gewerkschaft und Arbeitgeberverband. Wer hat den längeren... äh... Atem.

Natürlich geht es dabei nicht um Schwänze - denn wie wir wissen können diese beliebig verlängert und mit Viagra gepimpt werden - und auch nicht um den Atem. Wobei es schon lustig wäre - frei nach Asterix in Spanien - wenn sich die Verhandlungsabordnungen mit hochroten Köpfen gegenüber säßen... bis die ersten unter den Tisch rutschten.

Natürlich geht es ums Geld. Es wird die Streikkasse gegen die Profitgier aufgerechnet. Und weil es viel zu langweilig ist, wenn die Gewerkschaft ihr Sparbuch auf den Tisch knallt und sagt wir können 39 Tage streiken und die Arbeitgeber dann entgegnen, das können (oder wollen) wir uns aber nur 16 Tage leisten. Und dann überweisen beide Parteien die entsprechende Summe an ein SOS Kinderdorf oder den Bund Naturschutz und gut ist.

Nein, so läuft das nicht. Das Geld muss schon ehrlich und sinnfrei verblasen werden. Da müssen sich die Arbeiter in lustigen Westen mit nervigen Tröten bewaffnet vor die Werkstore stellen. Und da müssen Arbeitgebervertreter das Schreckgespenst der Deindustralisierung beschwören.

Erst wird ein bisschen verhandelt. Bis es beiden Seiten zu blöd ist. Dann wird ein bisschen gestreikt. Vielleicht bei der U-Bahn in München und bei den Bussen in Hannover. Bis es beiden Seiten zu blöd ist. Dann wird wieder verhandelt. Das geht so hin und her, bis es der Gewerkschaft zu blöd ist. Dann wird richtig gestreikt. Flächendeckend. Da stehen dann alle Räder still. Bis es beiden Seiten zu blöd ist. Dann kommen die Schlichter ins Spiel, die unterbreiten ein Angebot. Das wird von beiden Seiten angenommen. Weil den einen die schönen Profite abgehen und die anderen keine Kohle mehr für's Streiken haben.

Der ganze Zirkus geht dann ein, zwei Jahre später wieder los.

...ich bin mir sicher unter euch gibt es jemanden der oder die mir stichhaltig erklären kann, warum der Streik auch heute noch sein muss.