Nachhaltig faul

Pfand? Eigentlich ganz einfach

Alle Nase lang wird über den ständig wachsenden Müllberg lamentiert. Und je mehr lamentiert wird, desto ständiger wächst der Müllberg. Warum wird nur lamentiert und nicht gehandelt? Ansätze gäbe es genug.

Wer in den 80er Jahren Konzerte besucht hat - also Rock- oder Punk-Konzerte - der kannte es nicht anders, die Konzerthalle glich nach der Veranstaltung einem Biersee. Die Schuhe pappten und wer kein geeignetes Schuhwerk trug, trat sich schon auch mal eine Scherbe ein. Gefiel die Band nicht, flog auch mal eine Bierflasche in Richtung Bühne. Später reduzierten Pappbecher zwar die Verletzungsgefahr, nicht jedoch die Bodensuppe.

Ob wir die ersten waren? Darauf möchte ich nicht schwören. Dass wir Vorreiter waren? Gewiss. Eine Mark Pfand auf die Flasche und fertig. Das war in der Kulturstation so und das war in der Glockenbachwerkstatt so. Von einem Moment auf den anderen gab es keine Scherben mehr. Das Bier wurde getrunken und nicht verschüttet. Niemand musste sich mehr durch die tanzende Menge quälen und verwaiste Flaschen aufsammeln.

Sicher gab es Diskussionen am Tresen. "Gestern hat das Bier noch 2,50 gekostet, warum muss ich heute 3,50 berappen?", "Bekommst ja eine Mark wieder, wenn du mir die Flasche heil zurück bringst.", "Hey, aber 3,50 - Alter!", "Nein, 2,50 und eine Mark ist Pfand.". Hat ein bisschen gedauert, bis das im Rechenzentrum des Gehirns angekommen ist. Aber es ist angekommen.

Heute gibt es kaum mehr eine Veranstaltung, auf der nicht Pfand auf Flaschen oder Becher erhoben werden. Und niemand beschwert sich mehr. Das klappt ganz gut. Und warum klappt das? Weil eine Mark, heute meist ein Euro, eine Menge Geld ist, die man nicht einfach zerdeppert oder rumstehen lässt.

So oder so ähnlich läuft das heute in Biergärten, auf dem Tollwood, selbst mit dem Einkaufswagen im Supermarkt.
Warum soll es dann in der modernen ToGo-Gesellschaft nicht auch funktionieren? Weil die Verpackungen so unterschiedlich sind? Weil die Logistik so aufwendig ist? Weil der Kunde das nicht will? Weil die Wirtschaft jammert? Weil der Gesetzgeber sich nicht traut?

Weil die Verpackungen so unterschiedlich sind?

Dem möchte ich entgegen halten, ein Becher ist ein Becher ist ein Becher. Da kann man Flüssigkeiten rein tun und dem Becher ist das ziemlich egal, ob die Flüssigkeit ein Kaffee ist, Bier, Limo oder eine Gemüsesuppe. Flüssigkeit rein, Deckel drauf und fertig. Ist der Becher leer, dann abspülen und wieder Flüssigkeit rein. Wo ist das Problem? Macht man daheim nicht anders.

Ja aber wie ist das dann mit Pizza, Sushi und Wiener Schnitzel. Das kann man nicht einfach in einen Becher packen. Da braucht jedes Gericht seine eigene Verpackung. Braucht es das wirklich? Für jedes Gericht. Schaut euch doch mal den Verpackungsmüll vom Lieferservice an. Da finden sich vor allem Pizzakartons und diese Styropordinger. Und die Styropordinger sehen alle gleich aus. Da wird die Currywurst mit Pommes in der gleichen Verpackung geliefert, wie die Peking Ente. Warum in aller Welt sollte es nicht möglich sein, diese Verpackungen in stabil und wiederverwendbar herzustellen? Pfand drauf und gut ist.

Weil die Logistik so aufwendig ist?

Milch wird durch ganz Europa gefahren. Äpfel werden um den ganzen Globus gefahren. Klamotten kommen aus China. Elektronik aus Fernost. Das Steak aus Südamerika. Logistisch alles kein Problem. Müll wird abgeholt. E-Scooter eingesammelt und durch die Stadt gefahren. Ökokisten geliefert und abgeholt. Pfandflaschen gesammelt und quer durch die Republik gekarrt. Amazon, DHL und UPS liefern und holen ab. Tag für Tag. Und da soll es nicht möglich sein, ein paar Lieferboxen von hier nach da zu bringen? Da geht es nicht um Aufwand, da geht es um Willen.

Weil der Kunde das nicht will?

Wird der Kunde denn gefragt? Hat der Kunde denn eineWahl? Wo gibt es denn ein Pfandsystem für Kaffeebecher? Wenn der Kunde einen Rucksack voll Pfandflaschen zum Supermarkt trägt, wird er sich wirklich mokieren, wenn er da auch den Becher oder die Schachtel mit einpacken muss?

Was der Kunde nicht will, das ist Verpackungsmüll, der sich unter der Spüle stapelt. Es ist auch nicht des Kunden ureigenste Interesse, Arbeitsplatz, Isarauen und Innenstädte zu vermüllen. Er macht es, weil ihm keine Alternative geboten wird.

Könnte ich dem Lieferdienst die Verpackung vom letzten Mal in die Hand drücken, ich würde das tun. Und hätte ich den Anreiz durch ein wenig Pfand, ich würde es doppelt tun. Und betrüge das Pfand ein, zwei, drei Euro, dann würde die Verpackung auch nicht am Seeufer liegen bleiben.

Weil die Wirtschaft jammert?

Seien wir doch einmal ehrlich, die Wirtschaft jammert immer. Das war mit dem Katalysator so - was haben die Autobauer lamentiert, dass das nicht ginge. Der Aufwand, die Kosten und der Kunde wolle das nicht -, das war bei dem Dualen System so, bei der Pfandpflicht auf Erfrischungsgetränke. Wettbewerbsverzerrung, Wettbewerbsnachteile, Arbeitsplätze, haste nicht gesehen.

Und hat sie dann genug gejammert, dann stellt sie fest, dass sich damit prima Geld verdienen lässt. Dann möchte sie das gar nicht mehr anders. Das war mit dem Katalysator so, mit dem Dualen System und auch mit dem Pfand auf Erfrischungsgetränke.

Weil der Gesetzgeber sich nicht traut?

Jetzt sind wir am Punkt. Der Gesetzgeber hätte die Macht, ein Pfandsystem für alle einzuführen. Muss ja nicht von heute auf morgen sein, nächstes Wochenende würde schon reichen. Und wer sich verweigert? Nun, der liefert eben nichts mehr und schenkt keinen Kaffee mehr aus. Das macht dann eben ein andrer, der sich nicht verweigert.

Doch der Gesetzgeber zaudert. Weil die Verpackungen so unterschiedlich sind. Weil die Logistik so aufwendig ist. Weil der Kunde das nicht will. Weil die Wirtschaft jammert.

[Update]:

Weil der Artikel zu einem Artikel in der Abend Zeitung passt: SPD fordert neues Mehrwegsystem

Und weil die Abend Zeitung auch meint, dass der eine Artikel zu dem anderen passt, ist er glatt dort veröffentlicht worden:

[Update]: Ein schönes kleines Komliment: