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Abt.: Abschieben, Abschieben, Abschieben
Kein Mensch ist legal...
Dass sich dieser Tage die nüchterne Betrachtung schwer tut, sich Gehör zu verschaffen, ist nur allzu offensichtlich. Die Welt wie wir sie kennen, in der wir aufgewachsen sind, bricht um uns und zusehends schneller zusammen. Das passiert ohne Not, ohne Außerirdische und wie es scheint auch ohne Richtung, Sinn und Ziel.
Während man beim großen Weltgeschehen bang und klamm auf die Zuschauerbänke verbannt bleibt, reibt man sich die Augen, was vor der eigenen Türe vor sich geht. Denn da wird eifrig gefegt. Und zwar alles das vom Tisch, was sich unsere Gesellschaft die letzten 70 Jahre erkämpft und erarbeitet hat. Aus einer Diktatur kommend und obrigkeitshörig bis in die Knochen hat sich Deutschland - mal unter Schmerzen, mal mit Freuden - frei geschwommen. Hat sich zu einer vergleichsweise offenen und friedlichen Gesellschaft entwickelt. Wohlgemerkt, einer offenen und friedlichen, nicht einer Idealen. Der Mensch ist nicht ideal, also wird es eine von ihm geformte Gesellschaft auch nicht sein.
Jetzt aber zum Thema...
Ein Anschlag ist schlimm, keine Frage. Ein Anschlag mit vielen Verletzten ist sehr schlimm. Einer mit Toten auch. Alles sehr schlimm. Für die Betroffenen, für die Angehörigen. Auch für die, die das mitansehen und miterleben müssen. Und es ist natürlich verständlich, wenn Konsequenzen gefordert und versprochen werden. Wenn die Vokabeln "mit voller Härte", "mit aller Konsequenz" und "es reicht" in jedes Mikrofon gesprochen werden. Das ist verständlich, denn Schreck und Schmerz und Angst sitzen tief.
Es mag ketzerisch klingen, wenn ich dieses sage:
Ich bin froh, dass Gesetzte nicht am Tatort gedrechselt werden. Ich bin froh, dass Richter nicht zwischen blutigen Opfern und aufgebrachter Menge urteilen müssen. Ich froh darüber, dass manche Forderung nach noch mehr Härte verpufft. Dass nicht nach jeder Tat an der Gesetzesschraube gedreht wird. Dass es einzelnen nicht gelingt durch ihre Taten - so abscheulich sie auch sind - unsere liberale Gesellschaft zu zerstören.
Und ich bin froh, dass nicht ihr, die mich jetzt des weltvergessenen Gutmenschentums bezichtigen, die Gesetze macht und auch nicht auf dem Richterstuhl sitzt. Denn ihr würdet auf Grund Verfehlungen weniger die Mehrheit bluten lassen. Ihr würdet wegen dem einen Terroristen euren Nachbarn aus dem Land schmeißen, den braven Pfleger, Handwerker oder Arzt vor die Türe setzen. Ihr würdet unschuldige aus ihrer Umgebung reißen. Ihr würdet Menschen, die sich in bitterer Not befinden die Türe vor der Nase zuschlagen. Ihr würdet euch und die ganze Gesellschaft entmenschlichen.
Lasst uns abschieben
In der allgemeinen Hysterie überbieten sich die Parteien in ihrem Geschrei wer wen wie schnell rechts überholen kann. Nachgedacht - gar über Sinn und Zweck - wird nicht. Man bekommt den Eindruck, die AfD wirft ein Stöckchen und alles hechelt mit Schaum vor dem Mund hinterher.
Wenn also alles geifert und zetert, ist es höchste Zeit, sich einmal anzusehen, was denn da gezetert und gegeifert wird.
Abschieben wollen sie alle. Einmütig. Von der AfD bis zu den Grünen. Konsequent und schnell und auch nach da, wo den Abgeschobenen Folter und Tod droht. Dann wird schon alles gut.
Wird dann alles gut? Nehmen wir den Vorfall von München. Nimmt man den Rechtsstaat ernst, wann hätte der Täter abgeschoben werden können? Richtig, nach einer Verurteilung. Eine Verurteilung kann aber erst erfolgen, wenn auch ein Verbrechen begangen wurde. Merkst was? Nichts wäre gut geworden. Abschiebung hätte den Anschlag nicht verhindert.
Familiennachzug erschweren, verhindern, unterbinden. Na prima. Da sitzen dann zunehmend mehr traumatisierte und isolierte Menschen, vorwiegend Männer, herum. Was meint ihr, was werden die machen? Ein Loblied auf unsere Gesellschaft singen? Oder wären sie vielleicht ein gefundenes Fressen für Radikalisierung? Was meint ihr?
Wenn man den Menschen eine Geldkarte in die Hand drückt, mit der sie nur Dinge kaufen können, die es in Läden gibt, in denen mit der Geldkarte bezahlt werden kann. Mit der sie aber nicht die Dinge kaufen können, die sie brauchen, die sie gewohnt sind.
Wenn man den Menschen verbietet zu arbeiten. Oder wenn studierte Flüchtlinge lediglich Jobs weit unter ihrer Ausbildung erledigen dürfen.
Was meint ihr, was werden die machen?
Meint ihr, so wird alles besser?
Ich meine das nicht.