Seltene Berufe

Käsefischen

Der diesjährige Urlaub führte mich in die Weiten des nördlichen Finnlands. Dort wo auch heute noch dem Handwerk des Käsefischens nachgegangen wird.

Vor Erfindung des Analogkäses war das Käsefischen auch im Rest Europas sehr verbreitet. Berühmt waren etwa die Schweizer-Käse-Fischer aus Emmental oder die Gouda-Fischer aus Holland.

Heute macht man sich keine Vorstellungen mehr davon, welch schweres Handwerk das Käsefischen in den letzten Jahrhunderten gewesen ist. In Bayern gehen lediglich ein paar Hobbyangler am Starnberger- oder Ammersee aus Spass an der Freud und nicht selten zum Gaudium der Touristen der Käseangelei nach.

Im Norden Europas hingegen lebt die Käsefischertradition. Nicht wenige Familien bestreiten auch heute noch ihren Lebensunterhalt, indem sie den weiten finnischen Seen die beliebten Käsesorten abtrotzen.

Der freundliche Käsefischer Pentti Kilpinen bot mir an, mich in die Kunst des Käsefischens einzuführen. Hier sehen Sie Pentti in einem typischen kleinen finnischen Käsefischer-Waggon.

Die älteren Käsefischer bringen beinahe ihr ganzes Leben in solch kleinen Waggons zu. Sie fahren damit von einem See zum anderen und bringen ihren Fang in die abgelegenen Sammelstellen. Etwa auf den Markt in Saimaanranta oder in die berühmte Käserei nach Lappeenranta. Von dort wird der gesamte Europäische Feinkostmarkt beliefert.

Der Bayerische Gelegenheitsangler, der meint, mit seiner Forellenangel auch kapitale Käse-Laibe an Land ziehen zu können, hat nicht die leiseste Ahnung von echter, professioneller Käsefischrei. Es fängt bei der Wahl der richtigen Rute an. Nicht jeder Käse lässt sich auf jede Angel ein.

Der erdverbundene Camembert lässt sich schon mit einer einfachen, aus Ästen geschnitzten Rute aus der Reserve locken.

Hierbei ist es wichtig, dem Käse das Gefühl zu geben, man respektiere die Natur und man bemühe sich um artgerechte Jagdmanieren. Natürlich ist es von Vorteil, wenn man die jungen Camemberts vorab mit Preisselbeermarmelade herangefüttert hat.

Der robustere Gouda verlangt auch nach robusterem Gerät. Eine elektrisch betriebene Winde ist von Vorteil, um kräftigere, ältere Exemplare sicher an Land zu holen.

Bei der Köderwahl ist man hier sehr frei. Der Gouda beisst bei Weissbrot ebenso, wie bei Nudeln, Graubrot oder Weitrauben. Selbst Reste alten Goudas eignen sich, um junge, noch nicht ganz ausgereifte Stücke aus dem See zu ziehen.

Wobei der Gouda ähnlich wie die Banane erst mit zunehmendem Alter das richtige Aroma entwickelt. Er lässt sich jedoch gut lagern und reift auch in handelsüblichen Kühlschränken bis zur Genussfähigkeit heran.

Für die Jagd auf den Gorgonzola, und hier besonders die Mascarponevariante, empfiehlt sich eine Rute mit eingearbeiteten Widerhaken.

Durch die eher weiche, mitunter bröslige Beschaffenheit ist schon manchem Käsefischer der sicher geglaubte Fang wieder entglitten. Nur weil die Widerhaken um entscheidenden Moment nicht gegriffen haben.

Die Wahl des Köders fällt hier auf Nudeln. Geeignet sind sowohl Spaghetti, als auch Spiral- und Röhrennudeln. Je größer die Oberfläche des Köders umso wahrscheinlicher ist eine gute Ausbeute.

Racelette, wie er früher auch in der Schweiz häufig gefangen wurde, geht auf einen Köder aus Weissbrot, in dem eine ganze Reihe von Haken verborgen sind.

Emmentaler angeln

Auch der beliebte Emmentaler wird heute in den finnischen Weiten gefangen. Hier helfen jedoch Angeln in herkömmlichen Sinne nicht weiter. Der erfahrene Emmentador, wie sich spezialisierte Emmentaler-Angler nennen, legen auf den Seen lange Leinen mit Weintrauben als Köder aus. Kleinen Fähnchen zeigen an, wenn ein leichtsinniger Käselaib angebissen hat.

An Sommertagen bedecken die Köder manche Seen wie ein Teppich. Im Winter, der im Norden Finnlands sehr lange dauern kann, werden die Köder oft und gerne mit einem Glühwürmchen versehen, so dass auch bei Finsternis schnell zu sehen ist, wenn die Jagd erfolgreich zu werden verspricht.

Sorgfältig töten

Wenn man nun einen Käse an der Angel hat und ihn erfolgreich zu seinem Waggon heranziehen kann, dann ist es wichtig, den Fang sofort und sorgfältig zu töten.

Das Erlegen muss schnell von statten gehen, damit der Käse nicht unnötig lange zu leiden hat. Ich kann ihnen sagen, das kann ganzschön anstrengend sein.

Wichtig hierbei ist, wie schon erwähnt, besondere Sorgfalt walten zu lassen. Nicht ordentlich getötete Käse erholen sich oft recht schnell von ihrem Trauma und setzen alles dran, in die Freiheit zu entkommen. Dabei geht manch Käse sehr gerissen vor.

Es wird berichtet, dass sich der große Grana Padano gerne tot stellt und bei erstbester Gelegenheit den Abhang hinunterrollt und nicht mehr einzuholen ist. In Finnland ist diese Taktik aufgrund fehlender Abhänge jedoch selten von Erfolg gekrönt.

Der gemeine Camembert versucht oft durch vermehrte Schimmelbildung ein unappetitliches aussehen anzunehmen. Ganz nach dem Motto, sehe ich nur recht verschimmelt aus, langt mich schon keiner an. Das weiss jedoch auch der versierte Käsefischer und verkauft den so gereiften Camembert als Edelschimmel, etwa als Bavaria Blue weiter.

Verschiedene Weichkäse bedienen sich einer ähnlichen Taktik wie Eidechsen oder Regenwürmer. Bevor sie als ganzes verspeist werden können, trennen sie sich von nicht lebensnotwendigen Körperpartien und können so manchem Käseliebhaber selbst noch aus der heimischen Küche entwischen.

Es ist mir gelungen, einen älteren, cremigen Weichkäse bei dem Versuch die Freiheit wieder zu gewinnen, zu fotografieren:

Was sich so nostalgisch liest ist in Wirklichkeit ein Knochenjob. Selbst Kinder müssen mit, um den Lebensunterhalt der Familie sicher zu stellen. Bei uns macht man sich keine Vorstellung, unter welchen Bedingungen der Käse aus der Käsetheke des Supermarktes gefangen wurde.

Fragen Sie doch das nächste Mal nach, ob ihr Käsedealer dafür bürgen kann, dass ihr Lieblingskäse ohne Kinderarbeit aus den Weiten Finnlands in unsere Gefilde gekommen ist.

Bis zum nächsten Mal, Ihr

Paul Balthasar