Abt.: Reisen und wundern

Ein Urlaub in zwei Akten

Über den Tellerrand hinaus zu fahren führt nicht dazu, dass man automatisch über den Rand der Welt hinunter fällt. Es öffnet den Blick für... für was eigentlich? Für so einiges.

Erster Akt - hat irgendwie mit Österreich zu tun

Wenn man, sagen wir einmal acht Leute in eine Hütte sperrt, dann passieren da gruppendynamische Prozesse. Da kommt keiner aus. Da gibt es Yoga vor dem Frühstück und Tai Chi nach dem Frühstück. Und es gibt neurographisches Zeichnen vor dem Mittagessen.

Ich bemühe jetzt einmal mehr den Hammer. Denn es gibt die physikalisch geerdete Welt, der sich niemand entziehen kann. Vielleicht Kwai Chang Caine, aber so normale Menschen nicht.
Wenn sich in dieser Welt jemand mit dem Hammer auf den Daumen haut, dann tut das weh. Saumässig. Egal ob der getroffene Daumen von Esoterik gestählt, bierdurchtränkt oder gerade nur zufällig im Weg stand.

Und dann gibt es diese feinstoffliche Welt, die durch den Astralkörper erfahrbar wird. Jedoch hat jeder Mensch einen ganz eigenen Zugang zu seinem Astralkörper. Oder auch gar keinen und damit auch gar keinen Zugang zur feinstofflichen Welt.

Neurographisches Zeichnen

Ich denke, das neurographische Zeichnen hat viel mit dem Astralkörper zu tun. Und mit Empathie auch. Oder einfach nur mit Phantasie. Jedenfalls gibt es viele verschiedene Zugänge. Und es gibt einen Eingang und einen Ausgang. Der Eingang ist eine Blockade, ein Problem oder auch nur eine Frage, über die man Klarheit gewinnen möchte. Der Ausgang ist ein großes Abenteuer. Den zwischendrin wird gezeichnet. Neurographisch. Das macht was mit einem. Oder auch nicht.

Ok. Ich lasse mich darauf ein. Mein Thema: Ich möchte Cartoons zeichnen können, kann ich aber nicht. Auf gehts. Zwei Minuten Begriffe sammeln, Entladung, Eckenrunden, neurographische Linien Zeichnen, Eckenrunden, noch mal zwei Minuten Begriffe sammeln. Zwäng, ich kann immer noch keine Cartoons zeichnen. Ich kann aber zeichnen, wie es in mir aussieht und das zeigt klar auf, warum ich keine Cartoons zeichnen kann.

Meine engagierte Anleiterin möge mir verzeihen, dass ich das hier so verkürzt und profan wieder gegeben habe. Anderen ist das tiefer rein gegangen. Was bei dem einen Empathiewellen auslöst, schlägt bei der anderen schnell in Aggression um. Psychospiele unter Laien kann eine gefährliche Angelegenheit sein. Wir kennen uns jedoch so gut, dass wir das auch wieder auflösen können.

Gruppendynamik

Es gibt aber auch die etwas andere, erdige Gruppendynamik. Dabei treibt es Bergfexe zusammen mit des Wanderns eher fernem Volk über Wiesen, durch Wälder, bergauf und ab in Richtung Mostheurigen. Denn so ein Mostheuriger ist schon eine Schau. Also griabig oder auch leiwand.

BaBiol

Uns treibt es da gerne zur BaBiol(1). Weil da der Most ein feiner ist, es aber auch lecker Bier gibt. Und dazu Brotzeitplatten... ein Gedicht. Wurst und Schinken. Käse und vegane Aufstriche. Saure Platte, gesurte Keltenstelze. Leute, wenn es euch mal zwischen Semmering und Rax verschlägt, besucht die BaBiol. Ich schau mal, ob ich noch ein Foto vom sagenhaften Ausblick finde, der im Garten der BaBiol geboten wird...

Gefunden. Also nicht wirklich gefunden, sondern zur Verfügung gestellt bekommen. Und? Toll oder?

Barfußschuhe

Und wenn man so beschwingt gruppendynamisch durch Wald und Wiesen streift, dann ... streift es einem auch mal die Sohle vom Schuh. Frage nicht. Dann hat man ein bisschen ein Barfuß-Feeling. Das Wandern hat sich damit erledigt.

Und bevor jemand fragt, ja auch die zweite Sohle hat sich keine 100 Meter weiter verabschiedet.

Zweiter Akt - spielt in Bamberg und Umland

Breitengüßbach...

Wir sind Breitengüßbach von zwei Seiten angegangen. Wie soll ich sagen, es macht keinen Unterschied, es ist von beiden Seiten gleich deprimierend. So ein Anhängsel an Bamberg, mit dem keiner was so recht anzufangen weiß. Eine schrecklich langweilige Architektur im Einklang mit Industriegebietscharme. Das Beste vielleicht der Getränkemarkt, der mit einer beachtlichen Bierauswahl aufwartet. Blöd, wenn man mit dem Rad unterwegs ist und weder am Ort probieren kann, noch ein paar Flaschen mitnehmen mag.

Neben der Kirche von Breitengüßbach prangt ein Transparent, dass dem Besucher klar zu machen versucht, dass Breitengüßbach zwar hässlich und langweilig, nichtsdestotrotz irgendwie bunt ist. Die Erfahrung lehrt einen allerdings, wenn es ein Landstrich notwendig hat, auf sein Buntsein hinzuweisen, dann hat sich der braune Dreck bereits irgendwo hartnäckig festgesetzt.

Was gibt es noch über Breitengüßbach zu sagen? Vor vielen Jahren schleppte Sigi Pop mal einen Künstler in die Glocke, der unter dem Namen Else Admire und die Breitengüßbach Dolls firmierte. Nicht dass mich die Veranstaltung nachhaltig beeindruckt hätte, doch irgendwie ist der Name hängen geblieben. Und ich fragte mich, was wohl aus Else Admire geworden sein mag. Und während ich noch darüber sinnierte, ob ich wohl ein YouTube Video finden würde, das ich hier verlinken könnte, stach mir ein Else Admire Plakat ins Auge. Hier also Plakat und Video:

Von Windrädern und Kirchen

Bodenständig Konservative sagen, diese Windräder verschandeln die Landschaft.

Progressive Atheisten sagen, Kirchtürme aller Arten verschandeln die Landschaft.

Ich hingegen sage die erhabene Eleganz eines sich gemächlich und trotzdem kraftvoll drehenden Windrades vor ländlicher Idylle ist der Inbegriff, was menschlixhes Leben aus macht.

Seßlach

Ich weiß ja nicht, ob es von euch jemanden mal für eine Nacht nach Seßlach verschlägt. Ich werde heute noch auf Expedition gehen, um heraus zu bekommen, ob sich eine Nacht Seßlach lohnt. Wobei, eigentlich lohnt schon die Pension Winkler(2) eine Übernachtung.

Reitet man mit dem Rad in Seßlach ein, dann wird man beim Durchqueren des Stadttores sofort von einem Hauch, ach was sage ich, von einer steifen Brise Mittelalter umweht. Hinter jeder Ecke erwartet man einer Rittersmann oder einen Knappe.

Betritt man die Pension Winkler... Mittelalter, ganz klar. In der Empfangshalle wird man vom Duft von Büchsenfett umwabert. Überall hängen oder liegen Schwerter, Rüstungsteile, Pieken. Auf einem thronähnlichen Sessel erwartet der Hausherr seine Gäste. Die Gastfreundschaft in Person reicht er durchgeschwitzten Radlern erst ein kühles Wasser, bevor er zu den Formalitäten schreitet.

Wobei "schreiten" nicht ganz richtig ist. Ganz so gut zu Fuß ist er nämlich nicht. Er händigt den Haustürschlüssel aus und verabschiedet sich vor der letzten - zugegebenermassen recht engen - Stiege mit den Worten "oben rechts ist ihr Zimmer". Und was für ein Zimmer.

Biedermeier. Original oder gut nachgemacht. Biedermeier an den Wänden, Biedermeiermöbel. Kastenbetten und an der Wand hängt eine Bettpfanne. Neben dem Bett eine Waschschüssel. Man möchte fragen, ob man nicht auch die übrigen Zimmer inspizieren könne.

Schwarzer Adler

Der Schwarze Adler(3) hat eine lange Tradition als Wappentier. Bereits im Römischen Reich fand er Verwendung. In der Bundesrepublik (siehe auch Bundesgeier), in Österreich oder in Südtirol. Im Deutschen Reich (vor den Nazis) sowie im Dritten Reich mit Hakenkreuz. Da lässt sich alles mögliche reininterpretieren... oder auch nicht. Warum also muss man einen Schwarzen Adler als Namenspatron für ein Hotel mit Eisernen Kreuzen kombinieren?

Ich lass das mal so stehen.

Wilde Rose

Wenn man aus versehen in eine Reisegruppe älterer Herrschaften gerät und dann vor dem geschlossenen Biergarten steht, dann hebt eine vielstimmige Kakophonie an, "die haben geschlossen", "die machen erst um 16 Uhr auf", "es ist aber doch Samstag und da machen die um 15 Uhr auf". Den Nachzüglern schallt es entgegen "wir müssen umdisponieren, die haben zu", das scheint auch beim 10ten Mal nichts an Gaudium eingebüßt zu haben. Erst als jeder alles gesagt hat, kommt jemand und öffnet das Tor zum begehrten Bierausschank.

Ich stehe daneben und amüsiere mich still.

Der Biergarten der Wilden Rose ist ganz nach meinem Herzen. Bäume liefern Schatten. Lange Tafel, Bierartengarnitur, Biergartengarnitur de Luxe, Familientisch, für jeden Anlass die richtige Sitzgelegenheit. Ein feines Kellerbier im Steinkrug und - da habe ich mich bald eine Woche drauf gefreut - Schäuferla mit Klos. Und Sauerkraut, das verstehe ich noch nicht so ganz, das muss ich aber auch nicht aufessen.

Genug der Zeilen.