Schlimmer geht immer

Corona - ein Rant der Verzweiflung

Täuscht mich das Gefühl oder kippt die Stimmung langsam. Bald ein Jahr tragen die Bürgerinnen und Bürger mit erstaunlichem Langmut jede Sinnig- und Unsinnigkeit, die ihnen auferlegt werden. Doch selbst die längste Langmut hat irgendwann ein Ende.

Gebannt hängen wir Woche für Woche an den Lippen der Kanzlerin, was sie mit ihren Ministern und Ministerpräsidenten wieder ausgeheckt hat. Und Woche für Woche werden wir enttäuscht ob der fehlenden Strategie und der fehlenden Perspektive.

Gebannt starren wir Montag für Montag auf die Entwicklung des Inzidenzwertes. Der steigt und fällt unvorhersehbar. Es lässt sich nicht erkennen ob und wie die einzelnen Massnahmen positiv oder negativ Einfluß nehmen. Mit ein und dem selben Massnahmenkatalog sinkt der Wert hier unter 50 und verharrt dort über 200.

Unwissenheit

Zu Beginn der Pandemie hatte niemand einen Plan wie mit der Herausforderung umzugehen sei. Gab es bis dato auch noch nicht. Try and Error war angesagt. Mehr oder weniger kundige Experten haben ihr Halbwissen und ihre Vermutungen auf allen Kanälen in die Welt posaunt. Allein die Politik hat einen vergleichsweise kühlen Kopf behalten. Und hat sich den kühlen Kopf erstaunlich lange bewahrt. Egal welche Anfeindungen auf Straße und im Internet hochkochten.

Ein Markus Söder konnte sich als Macher produzieren, dem von weit rechts bis sehr weit links Sympathie entgegen schwappte. Selbst ich ertappte mich, wie er in meiner Achtung stieg. Ich begann die von mir eher nicht sonderlich geachtete Regierung gegen Anfeindungen in Schutz zu nehmen. Schließlich mache sie angesichts der Unwissenheit und dünnen Datenlage einen guten Job. Die Maßnahmen schienen angemessen und tragbar.

Das Gefühl, da machten sich Regierung und Parteien ernsthaft Gedanken zum Wohle der Menschen hielt lange an. Vom ersten Auftreten von Covid bei Webasto, bis... ja bis zum Beginn der sogenannten zweiten Welle. Und dann?

Ideenlosigkeit

Was bei der ersten Welle funktioniert hat, würde schon auch bei der zweiten Welle funktionieren. Weil das dann doch nicht ganz so gut funktioniert hat, dann eben immer noch einen drauf setzen. Weg war sie, die Besonnenheit. Die Ministerpräsidenten rund um die Kanzlerin begannen sich kopflos wahlweise zu über- oder unterbieten. Zahlen und Fakten spielten zusehends weniger eine Rolle. Auch die Vernunft hat sich in Warteposition begeben.

Hätte man eigentlich wissen können, dass mit dem Ende der Biergartensaison der Beginn der zweiten Welle startet. Das kennt man seit, lasst mich nachrechnen... seit es Biergärten gibt? Nein, schon weit länger. Seit es Viren gibt, die es sich in geschlossenen Räumen gemütlich machen. Da wo die Menschen aufeinander sitzen, da schlagen die Viren zu. Das ist nicht erst seit Corona so. Das war schon immer so. Hätte man also zeitnah reagieren können.

Stichworte? Bitteschön: Schulen, Nahverkehr, Homeoffice, Gastronomie.

Schulen bei Zeiten - und Zeit war reichlich - ordentlich ausstatten. Mit WLAN, Laptops, Software und Lüftungsanlagen. Online-Lernsoftware, die für mehr als nur eine Hand voll Schüler erreichbar ist. Alles versemmelt.

Homeoffice da verpflichtend machen, wo es geht. Und da geht noch einiges. Letztlich ist das Büro in dem man 8 und mehr Stunden täglich mit Kolleginnen und Kollegen auf engen Raum zusammen sitzt einer der Coronatreiber schlechthin. Da knickt die Politik vor der Wirtschaft ein.

Die Gastronomie - da gibt es keine Lobby, da wird auch nicht eingeknickt - hat bewiesen, dass sie flexibel und kreativ reagieren kann. Schanigärten, jeder 2. Platz frei, Trennwände, Plexiglaskabinen.

Ach, lassen wir das.

Verwaltung und Versagen

Seit der Entwicklung der ersten Corona-Tests war klar, dass damit auch getestet werden muss. Also eigentlich war das klar. Oder nicht? Manchmal möchte man den Eindruck gewinnen, dass das nicht ganz so klar ist.

Das fängt mit dem Herumgeeiere, wer wann und wo auf wessen Kosten getestet werden kann. Mal kostenlos für alle, dann nur kostenlos, wenn man einen triftigen Grund nennen kann.
Das geht weiter bei zentralen Teststellen, bei denen man trotz Terminvereinbarungen schnell mal ein, zwei Stunden in Kälte und Schlange verbringen kann.
Da ist die Verwirrung, welcher Test was aussagt. Welcher Test wie zuverlässig ist.
Da werden auch mal Test-Kits an Kindergärten geliefert. Nicht gesagt wird hingegen, wer damit wen testen soll. Nur so viel: Die Test müssen von geschultem Personal durchgeführt werden.

Frühjahr 2020: Da will ich nichts sagen. Da war alles neu.
Frühjahr 2021: Es hat sich nichts verbessert. Das ist peinlich. Da liegt der Duft von Versagen in der Luft.

Coronagewinnler

Wo eine Krise, da auch Krisengewinnler. Während der lokale Einzelhandel am Boden liegt, jagt Amazon von einem Rekordumsatz zum nächsten. Aber darum soll es gar nicht gehen. Das ist zwar schäbig, wenn man sich ansieht, wie Amazon mit seinen Leuten umgeht. Kriminell ist das nicht.

Kriminell hingegen ist das, was im Dunstkreis der CSU so vor sich geht. Da wird in alter Tradition gemauschelt, betrogen und geschmiert. Da tauchen altbekannte Namen mit neuen Gesichtern auf. Tandler, Strauß. Diesmal die Töchter, nicht die Väter.

Minderwertige Masken werden vom Gesundheitsministerium in großer Menge zu einem "Mondpreis" von 10,60 Euro - im Einzelhandel sind sie für 1,90 Euro erhältlich - das Stück geordert. Angeboten von der Tandlertochter auf Empfehlung der Straußtochter. Und der Unions Fraktions-Vize Nüßlein hält die Hand auf und schleust mal eben 600.000 Euro am Fiskus vorbei. Pfui Teufel.

[abendzeitung-muenchen.de]: Politik im Corona-Sumpf

Das vielleicht positive dabei: Die CSU mitsamt ihrem Strahle-Söder verliert endgültig den Nimbus der tatkräftigen Coronakämpfer. Und auch wenn Söder von den Machenschaften um ihn herum weder was gewusst hat, noch darin verwickelt ist, hängen bleibt immer was.

Scheuer soll's richten

Und sind der Dramen um Versagen und Verbrechen nicht genug, müssen wir staunend mit offenem Mund vernehmen, dass jetzt der Scheuer Andi die verfahrene Situation rund um die Testungen regeln soll. Eben der Scheuer, der schon mal größere Margen unbrauchbare Masken für gutes Steuergeld besorgt hat. Masken für den Mülleimer also. Eben der Scheuer, der in seinem Ministerium beharrlich ein Projekt nach dem anderen in den Sand setzt. Eben genau der Scheuer, der eindrucksvoll unter Beweis gestellt hat, dass er an Unfähigkeit kaum zu überbieten ist.

Was hat den die Kanzlerin da geritten? Da vergeigt sie in ihren letzten Tagen noch schnell die eigene Reputation und verspielt das letzte bisschen Vertrauen in das Pandemiemanagement der Regierung.

Der treffendste Kommentar dazu: "we are doomed"